Gegen 5.30 Uhr morgens betrat ein gebückter "Penner" mit Handwagen inkl. seiner Habseligkeiten den Bahnhof. Ich war in ein Gespräch mit einem Unbekannten vertieft. Während unserer Unterhaltung kamen Passanten vorbei und riefen uns lached zu: "Hö, hö, der Alte scheisst da in die Ecke!"
Von meinem Platz aus, konnte ich erkennen, wie er in etwa 25m Entfernung, in gehockter Haltung auf dem Toilettengang, mit einer taschentuchbewehrten Hand sich zwischen die Beine ging und 'mit einem Wisch war zwar nicht alles weg' zog er die Hand wieder zurück. Diesen Vorgang wiederholte er mehrfach.
Komischerweise blieb sein Toilettengang, auf dem selbigen, noch relativ unbemerkt, bis ich aus den Augenwinkeln eine Frau wahrnahm, die sich dem Zentrum des Geschehens näherte (Punkt A-A auf der nicht beigefügten Illustration).
Was machen Frauen gern, wenn sie uns Männer bei einer nicht von ihnen genehmigten Tat ertappen? Genau, sie stellen unbequeme Fragen. Sie baute sich vor dem Scheisser und der völlig offenliegenden Situation auf, der übrigens immer noch mit heruntergelasseen Hosen am Rande eines öffentlichen Bahnhofs im Nirgendwo stand. Sie stellte die Frage der Frage: "Was machst denn du da!?" Klasse, als wenn die Situation nicht für alle Beteiligte schon peinlich genug wäre.
Was könnte unser Mann an dieser Stelle antworten? Ich würde vermuten, um Zeit zu gewinnen vielleicht mit einer Gegenfrage kontern: "Ich ...äh... scheisse hier in die Ecke?" Andere Personen kamen hinzu und bildeten einen Halbkreis. Aus dieser Gruppe fühlte sich eine bedauernswerte Kreatur von Mann als Bahnhofsvorsteher berufen und 'schiss' jetzt den armen Teufel zusammen.
Was ich im Nachhinein herausgefunden habe, stellte sich die Ursprungssitutaion ungefähr folgendernaßen dar: Der ältere Herr besaß keine 50 Cent, um sich den Zugang zur Bahnhofstoilettenanlage zu eröffnen. Als Mann der Tat fasste er diesen anrüchigen Plan und schritt sofort zur Umsetzung.
Jeder Andere wäre in diesem dringenden Fall draussen in die Büsche gehoppst. Hier ist der Fall aber etwas anders gelagert: der Alte macht bestimmt seit 15 Jahren Platte und mindestens genauso lang, wenn nicht noch länger, ist er dem Alkohol wohl sehr zugetan.
Ich vermute, wenn er vor der Bahnhofstoilette steht, versucht sein Gehirn eine Lösung zu finden und bietet aus dem Erfahrungsschatz das Nächstbeste an: Bahnhofstoilette = kacken OK. Verschlossene Bahnhofstoilette = kacken OK mit Einschränkung - wenn, dann wenigstens in aller nächster Nähe zum WC. Der Raum 'Außerhalb' liegt hier außerhalb der Relevanz und außerhalb seiner Selbst. Hätte er vor verschlossen Bahnhofstüren gestanden, wäre sein Gehirn sicherlich zum nächst greifbaren, wie 'Büsche' o.ä. gesprungen, weil der Bahnhof schließlich als Objekt und in sich geschlossener Raum auch im 'Außerhalb' liegt.
Letzten Endes hat die Beschimpfung und Belehrung der Bahnhofsvorsteheraushilfskraft ihren Zweck erfüllt. Als der Pseudo-Beuys seine morgendlichen Hinterlassenschaften allein entfernen musste, konnte man ihn häufiger schimpfen hören: "Verfluchte Scheisse!" Weiser, alter Mann.
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