An der Decke in der Dusche, sitzt eine von diesen kleinen, langbeinigen Spinnen, dessen Körper eher länglich als gedrungen aussehen. Jeden Morgen wenn ich die Dusche aufsuche, hängt sie in ihrem Netz und beäugt mich vielfach bei der Körperhygiene.
Dabei muss man wissen, dass ich sehr nah an einer ausgewachsenen Spinnenphobie bin. Ja, ich bin einer von diesen Männern, denen es beim spontanen Erblicken dieser Tiere, eiskalt den Rücken herunterläuft und ihre verängstigten Freundinnen oder Ehefrauen, sofern eines von beiden vorhanden, dass Staubsaugerrohr in die Hand drückt und motivierend mit den Worten »pass bloß auf, dass sie dir nicht entwischt« auf ein Himmelfahrtskommando gegen diese mehrere Millimeter großen Bestien schickt. Ich kann aber aufgeregte und anklagende Gemüter sofort beruhigen. Bis jetzt ist noch jede von mir persönlich Beauftragte siegreich zurückgekehrt. Ein großer Dank an die - jetzt hätte ich fast gesagt ›Unzähligen‹ - Eine oder Andere, die meinen Weg gekreuzt und sich im Laufe unseres gemeinsamen Lebensabschnitts diesen Kämpfen gestellt hat, sei an dieser Stelle kundgetan.
Jeden Tag lasse ich also diese Spinne während meiner körperlichen Reinigung, nicht aus den Augen. Ich weiß, sie lauert nur darauf, dass ich unvorsichtigerweise in die Nähe ihres heimtückischen Netzes gerate und sie wird mich augenblicklich anspringen, ihre Hauer tief in mein Fleisch jagen, ihr tödliches Gift in meinen nicht mehr ganz taufrischen Körper spritzen und wahrscheinlich sofort ihre maßlose Gier befriedigen und mich auf der Stelle aussaugen.
Damit genau dieses nicht geschieht, passe ich natürlich höllisch auf und mache mir nebenher so meine Gedanken.
Wie ist eigentlich so ein Spinnendasein, an der Decke, in der Dusche?
Das Netz wird sie vermutlich vor zwei Wochen innerhalb von zwanzig Minuten eiligst hingezimmert haben - so sieht es jedenfalls aus. An der täglichen Instandhaltung ihres Netzes sitzt sie etwa geschätzte fünf bis zehn Minuten. Körperpflege und Beine rasieren nehmen auf 24 Stunden gerechnet, vielleicht 20 Minuten in Anspruch. 1440 Minuten hat der Tag, abzüglich 30 Min. für administrative Tätigkeiten und Körperpflege, verbleiben 1410 Minuten. Schlafen muss Thekla auch noch. Also nochmals sind geschätzte 4 Stunden abzuziehen. Bleiben unterm Strich ca. 1170 Minuten. Das sind 19,5 Stunden die sie nur mit Lauern verbringt. Beeindruckend.
Wie um Himmelswillen vertreibt man sich 19,5 Stunden Wartezeit? Auf dem Leipziger Hauptbahnhof war ich einmal gezwungen, nachts sieben Stunden auf den nächsten Zug zu warten. Es war die Hölle! Irgendwann hüpft man auf einem Bein im Zickzack vor- bzw. rückwärts durch den Bahnhof, nur um die nächste Viertelstunde irgendwie herumzukriegen. Anschließend denkt man sich weitere spannende Dinge aus. Man zählt die Steine auf dem Fussboden, die Fenster des gesamten Bahnhofs, die Vokale des Fahrplans und dergleichen sinnvolles mehr. Aber was macht eine Spinne? Herumlaufen und das zählen von Fliesen, wäre ihrem eigentlichen Kerngeschäft sicherlich abträglich. Geselligkeit zählt ebenfalls nicht zu ihren Tugenden. Von daher sind Nachbarschaftsbesuche eher selten, und wenn, rein zufälliger Natur und gehören in den meisten Fällen ihrer Art entsprechend verständlicherweise zu den unwillkommenen Abwechslungen.
Spinnen müssen zwangsläufig unglaubliche mentale Fähigkeiten besitzen. Vermutlich denken sie sich in der Zeit des stillen Verharrens, immer wahnsinnigere und kompliziertere Konstruktionen ihrer zukünftigen Netze aus und fügen dem an sich schon fantastischen Bauplan noch hier und da eine kleine riskante, kreative Spielerei hinzu, nur um später allen Wesen dieser Erde zu beweisen, dass dieses gewagte Konstrukt doch gehalten hat. Und das rechnen sie, wie sich unschwer erkennen lässt, alles im Kopf aus. Sie werden dabei vermutlich auf das Oktalsystem zurückgreifen. Logisch, die Anwendung des dezimalen würde auf Grund der Anzahl ihrer Gliedmaßen schon keinen Sinn machen.
Woher wohl diese doch weit verbreitete Angst vor Spinnen stammt? In unseren Breiten- und Längengraden ist diese Angst doch absolut unbegründet. Unsere vieläugigen Freunde sind doch im Grunde absolut ungefährlich. Bei genauerer Betrachtung sogar vielmehr faszinierende und äußerst nützliche Tiere, die sich vor allem durch eines auszeichnen, durch Geduld. Obwohl sie sich gern einer gewissen Bequemlichkeit hingeben und nicht, wie andere Tiere, ihrer Beute aufwendig Hinterherhecheln. Also lasse ich heute meiner introvertierten Freundin ihre beanspruchte Ecke und diebische Freude, warum auch immer, mich beim Duschen zu beobachten.
Aber morgen, morgen sauge ich dieses ›Viech‹ endlich weg.
Alternativ könnte ich mir auch eine mutige Lebensabschnittsgefährtin zulegen.
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