17.9.06

Henschel, Gerd – Gossenreport

Lieber Leser,

möchtest Du, ich darf doch Du sagen - lediglich eine Kurzinformation zum Buch ›Gossenreport‹ von Gerd Henschel, denn klicke bitte diesen Link an: Buchvorstellung.

An die verbliebenen Leser: Seid gegrüßt.

Von meiner Generation kennt wohl jeder noch ›Hans Esser‹ aus der Bildzeitungsredaktion. Man kann heute zu Wallraff stehen wie man will, sein Buch bestätigte damals was eigentlich alle ahnten, aber die wenigsten wirklich wissen konnten bzw. wissen wollten. ›Der Aufmacher‹ hatte mich zu seiner Zeit enorm beeindruckt und war der Einstieg in die Welt des investigativem Journalismus. Sozusagen die literarische Entjungferung meines Mediensverständnisses.

Eine kleine Anekdote am Rande, ist ja schließlich ein Weblog und kein Kulturmagazin hier. In meiner damaligen Schulklasse sollte jeder zwei Titel seiner derzeitigen Hauptlektüre vorstellen. Neben etwa insgesamt ca. 60 Bravo- und Pop-Rocky-Zeitschriften stellte ich Wallraffs ›Der Aufmacher‹ vor. Den Titel des zweiten Buches habe ich mittlerweile vergessen oder verdrängt. Ich weiß nur noch, dass es aus dem 2001-Verlag stammt und Photos von Kriegsverletzungen des 1. Weltkriegs beinhaltete. Letzteres war ein echter Schocker und sollte der weitverbreiteten Mär von ›Streifschuß am Arm oder Tot‹ in unserer Klasse endlich ein Ende setzen und aufzeigen, dass es sehr schlimme und entstellende Kriegserletzungen gab, die man tatsächlich überlebte. Dies ging gehörig in die Hose, weil sämtliche ›Fachmänner‹ Stein und Bein schwörten, dass die Photos Fälschungen seien.

Dem Wallraff Buch erging es leider nicht viel besser. Das es evtl. mehr in der Welt gab, als die neusten Frisuren von ›Aha‹ und ›Fräulein Menke‹, war damals in meiner Hauptschulklasse nicht nur völlig unbekannt sondern auch »total laaaangweilig«. Somit war ich der Einzige der, nach Ansicht vieler Mitschüler, ›Märchenbücher‹ mitgebracht hatte. Damit sank mein Beitrag noch unter das Niveau der Aussenseiterin und ihrem Buch ›Hanni und Nanni auf dem Ponyhof‹. Für mein Ranking in der pubertierenden Klasse ein echter Tiefschlag. Erst nach einer wüsten Prügelei mit O. S. aus der Parallelklasse, konnte ich meinem sich abzeichnenden Abstieg ins Nichts der Klassenhirachie entscheidend entgegenwirken. Aber das ist wieder eine andere Geschichte. ;)

Zurück zum Thema. »Ich gebe mein Ehren...wort«, ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht einen Pfennig bzw. Cent für dieses ›Scheißblatt‹ mit den großen vier Lettern ausgegeben, dessen Moral- und Ethikverständnis ungefähr so ausgeprägt ist, wie Unrechtsbewußtsein bei einem Selbstmordattentäter. Beide schließen sich sozusagen aus.

12 Millionen Leser hat die Bild-Zeitung. 12 Millionen Menschen geben sich jeden Tag die geistige Kugel. Am wenigsten akzeptieren kann ich aber, dass Politiker, Kulturschaffende und sogar Vertreter der Kirche sich erdreisten, ohne Scham vor den Karren der Bild-Zeitung spannen zu lassen. Oder Menschen, die ganz offensichtlich durch dieses Blatt in Grund und Boden gestampft wurden, später bereitwillig der Bild-Zeitung als Interviewpartner zur Verfügung standen. Das wäre für mich der persönliche Ground-Zero.

Meine innere Abneigung ist sogar so weit fortgeschritten, dass ich nicht einmal mehr Vergnügen für das Lesen des ansonsten sehr guten Bildblogs entwickeln kann. Es deprimiert mich geradezu. Aber, es naht Hoffnung!

Die Hoffnung naht in Form eines Buches. Gert Henschel zeigt genau diese Umstände auf und prangert unüberhörbar an. Absolute Pflichtlektüre für Bildverweigerer und solche, die noch einen kümmerlichen Rest von Moral und Ethik in ihren Eingeweiden verspüren. Denn mit jedem Cent den dieses Blatt einnimmt, unterstützt man dessen Methoden und Machenschaften. Dessen sollte man sich immer bewußt sein.

Das Buch: Henschel, Gerd - Gossenreport: Betriebsgeheimnisse der Bild-Zeitung

ZITAT Produktbeschreibung
»In der »Bild«-Zeitung, Springers ordinärstem Bumskontaktblatt, haben nach dem Niedergang der Apo nicht nur »Telefonsexschlampen« und »Titelmiezen«, sondern auch grüne Minister und ehedem linksgestrickte Ex-Juso-Chefs ihre Reize dargeboten. Sogar im Vatikan geht der Chefredakteur der europaweit meistgelesenen Fickgeschichtenzeitung mittlerweile ein und aus, und im Zölibat lebende Bischöfe geben sich, um an der Macht von »Bild« schmarotzen zu dürfen, zu Interviews her, die neben Puff-Annoncen erscheinen. »Bild« regiert. Daran wird auch dieses Buch nichts ändern. Es ist nicht mehr und nicht weniger als ein Denkmal, für die Nachgeborenen, die erschaudernd zur Kenntnis nehmen werden, wie entsetzlich dreckig es in der Mediengosse des frühen 21. Jahrhunderts zugegangen ist.

Die Bild-Zeitung ist ein ehrloses Klatschblatt, eine üble Sexualkloake. Das jedoch ist nicht der Skandal. Der Skandal ist, daß Politiker und andere Spitzen der Gesellschaft mit diesem Blatt paktieren. In einer furiosen Abrechnung zeigt Gerhard Henschel, daß jeder sich selbst desavouiert, der mit diesem Blatt zusammenarbeitet. »Wer einen konkreten und aktuellen Beitrag zur Werte-Debatte lesen will, der sollte den brillanten Essay studieren, den der Schriftsteller Gerhard Henschel unter dem Titel "Von Tag zu Tag wird's schmutziger" über Bild als Kulturproblem veröffentlicht hat.« Gustav Seibt, Süddeutsche Zeitung«


Auf der Webseite von Booking-HH ist eine Leseprobe bereitgestellt, aus der ich noch kurz etwas zitieren möchte:


ZITAT Leseprobe
»In Bild gurgelt der Gully obszön vor sich hin. Wer in dieses Abflussrohr hinabsteigt, der hat seinen Geist aufgegeben. Wer Bild als Kolumnist oder als Interviewpartner dient, der ist ethisch gerichtet und hat seinen intellektuellen und moralischen Bankrott erklärt. Und wer, wie Gerhard Schröder es getan hat, einen ausländischen Staatsgast zum gemeinsamen Bild-Interview willkommen heißt, der sollte sich die Frage vorlegen, ob es nicht anständiger gewesen wäre, den Gast in einem gut geführten Bordell zu begrüßen als in Kai Diekmanns dreckiger Sexual-Nachrichtenkaschemme.«

Die Quintessenz ist für mich: »Wer Bild als Kolumnist oder als Interviewpartner dient, der ist ethisch gerichtet und hat seinen intellektuellen und moralischen Bankrott erklärt.«

Mehr Informationen bei Booking-HH ...

Vielleicht erscheint ja ›irgendwann‹ von ›irgendjemanden‹ ein Buch zum Netzwerk Stefan Aust (Spiegel), FrankSchirrmacher (FAZ) und Kai Diekmann (Bild). Das Thema ist für mich schon länger mindestens ebenso spannend.

LINKS
- Buch: Henschel, Gerd - Gossenreport
- Kritik in der SZ: Die Sozialisierung des Schnüffelns
- Buch: Wallraff, Günter - Der Aufmacher
- Bildblog

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